Künftige Architekten der Online-Shops kommen aus Bad Oeynhausen

27 angehende E-Commerce-Kaufleute absolvieren am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg seit August den schulischen Teil ihrer Ausbildung. Die Ausbildungsbetriebe kommen aus allen Wirtschaftsbereichen.

Bad Oeynhausen. Der Online-Handel floriert. Bereits in den vergangenen Jahren verzeichneten Shops im Internet jährliche Zuwachsraten von zehn Prozent. „Seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Umsätze im Online-Handel sogar um 20 Prozent gestiegen“, weiß Michael Drawe. Drawe ist Lehrer am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg und am Standort Bad Oeynhausen zuständig für den im August gestarteten dualen Bildungsgang zum E-Commerce-Kaufmann/Kauffrau. Der Trend zum Online-Handel ziehe sich durch alle Wirtschaftsbereiche, nicht nur im Handel, sondern auch in der Industrie.

25 junge Menschen haben diese Chance ergriffen und am 1. August die duale Ausbildung zum E-Commerce-Kaufmann begonnen. Zwei werden im Dezember noch hinzukommen, die ihre Ausbildung später begonnen haben. Übrigens hält sich der Anteil von Frauen und Männern in etwa die Waage. Das Gros der Auszubildenden sind Abiturienten, aber auch zwei junge Menschen, die ein Bachelor-Studium abgeschlossen haben, sind unter den E-Commerce-Auszubildenden.

 „Fachkräfte ausbilden und an die Region binden“

Die Ausbildungsplätze haben Firmen wie Denios, Hagemeyer, Porta Möbel, Melitta, Home Deluxe aus Lübbecke, Revell aus Bünde, Reitsport Henke aus Hüllhorst, die Unternehmen Vogels Deutschland und Hexim aus Löhne sowie weitere Firmen aus Minden, Porta Westfalica und Lübbecke sowie Blaumann und Co., ein Fachgeschäft für Berufsbekleidung aus Bad Oeynhausen, angeboten.

„Wir wollen mit diesem Ausbildungsangebot dazu beitragen, Fachkräfte auszubilden und an die Region zu binden“, sagt Carsten Mittelberg, der seit dem 2. November Leiter des Freiherr-vom-Stein-Berufskollegs mit den Standorten Minden und Bad Oeynhausen ist. Den Ausbildungsgang an sich gibt es zwar schon länger, aber bislang mussten E-Commerce-Auszubildende aus den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford für den schulischen Teil der Ausbildung nach Gütersloh fahren. Dort war der Ausbildungsgang 2018 gestartet. Auch das Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg wollte eigentlich schon im Sommer 2018 starten, doch die Vorbereitungszeit von wenigen Monaten erwies sich als zu kurz.

Betriebe agieren mit Pioniergeist und Tempo

„Wir rechnen mit weiterem Zuspruch, zum kommenden Schuljahr könnten schon zwei Klassen an den Start gehen“, blickt Mittelberg in die Zukunft. Und die klassischen Ausbildungsgänge, etwa die der Bürokaufleute, werden sich in Richtung E-Commerce verschieben, so Mittelberg. Ab Frühjahr 2021 will das Freiherr-vom-Stein-Kolleg auch für die Schüler der Höheren Handelsschule einen Differenzierungskurs „E-Commerce“ anbieten.

Im Online-Handel befinden sich nicht nur Unternehmen in einer Art Pionierphase, sondern auch das Berufskolleg. Klassisches Unterrichtsmaterial gibt es nicht. „Der Ausbildungsgang ist breit aufgestellt, es macht riesigen Spaß, einen solchen Ausbildungsgang zu entwickeln“, sagt Michael Drawe und spricht dabei auch für seine Lehrerkollegen. Welcher Pioniergeist in den Betrieben herrscht und mit welchem Tempo agiert wird, beschreibt Markus Harm, Inhaber des Fachgeschäfts für Berufsbekleidung „Blaumann und Co.“ in Bad Oeynhausen: „Mit Beginn der Corona-Pandemie haben wir einen Online-Shop für medizinische Berufsbekleidung aufgebaut – innerhalb einer Woche“, berichtet Harm. Mitte Juli entschied sich Markus Harm, einen Auszubildenden zu suchen und fand ihn binnen eines Tages. Für den Versand hat er eine Vollzeitstelle eingerichtet. „Wir erzielen mit dem Shop Umsätze im sechsstelligen Bereich“, fügt Harm hinzu.

Wie Online-Shops aufgebaut werden, worauf Händler achten müssen, genau das ist auch Inhalt des schulischen Teils der Ausbildung. Englisch, Mathematik und Rechtsgrundlagen gehören ebenso dazu wie Grundlagen der Programmierung und das Schreiben von Texten, die Kunden ansprechen. „Die Anforderungen an die Auszubildenden sind hoch“, weiß Schulleiter Carsten Mittelberg. An den zwei Schultagen pro Woche arbeitet jeder Schüler an seinem eigenen virtuellen Online-Shop. Am Anfang steht eine Unternehmensanalyse, welche Produkte sollen im Shop angeboten werden. Die Waren müssen fotografiert werden und beschrieben werden. „E-Commerce-Kaufleute müssen gute Allrounder sein, sie sind die Architekten des Shops, müssen jeden Entwicklungsschritt kennen“, fügt Michael Drawe hinzu.

 Information
  • Als Ausbilder in den Betrieben können Mitarbeiter fungieren, die über mindestens 4,5 Jahre Berufserfahrung im E-Commerce verfügen.
  • Die Ausbildung ist auf den Wachstumsmarkt im Online-Handel zugeschnitten.
  • E-Commerce-Kaufleute sind im Groß- und Außenhandel, im Einzelhandel, der Tourismusbranche, in Dienstleistungs- und Industrieunternehmen, in der Logistik und bei Finanzdienstleitern tätig.
  • Inhalte des Berufsbildes sind: Vertriebskanäle beurteilen, auswählen, einsetzen; Waren- und Dienstleistungssortimente für den Online-Handel konzipieren, bewirtschaften, weiterentwickeln; Kundenkommunikation; Projektorientierte Arbeitsweisen im E-Commerce anwenden; Kennzahlenbasierte Instrumente der kaufmännischen Steuerung; Online-Marketing; Online-Waren- und Dienstleistungsverträge anbahnen und abwickeln.